Die Fahrtrichtungs-Umschalter von Märklin H0

Nach den Umschaltern der 700er Serie brachte Märklin noch vor dem Krieg die 800er Serie auf den Markt. Zum erstenmal gab es in der Geschichte der H0-Bahn einen Fern-Umschalter, der zuverlässig arbeitete und robust war. Aber halt.....erstmal der Reihe nach und weitere 10 Jahre zurück in die Zeit, als es von Märklin noch gar keine kleinen Spuren gab. Da waren andere schneller...

Die allerersten Umschalter in der Geschichte der H0-Bahn waren die Walzenumschalter der Bing 00 Tischbahn an den elektrischen Tenderloks in den 20er Jahren (siehe dazu meine Seiten zur Bing 00 Tischbahn). Diese wurden per Hand betätigt, oder mittels spezieller Kästen und Hebel am Gleis. Eine neben die Schienen geklebte Streichholzschachtel tat es auch. In diesem Umschalter kann man schon das Prinzip des späteren 800er Typs von Märklin erkennen. Gleiche Technik fand man bei Bub, der Teile der Bing Produktion nach Bing`s Konkurs übernahm und die Tischbahn bis zum Krieg weiterführte. Als im Frühjahr 1935 Trix Express auf den Markt kam, gab es den ersten Fernumschalter in dieser Baugröße. Leider schaltet der bei Spannungsabfall und damit oft ungewollt an Stellen der Anlage mit Kontaktproblemen. Er ist nur bei peinlicher Sauberkeit der Schienen und optimaler Schleiferjustierung der Lok betriebssicher (siehe dazu meinen Beitrag zur Trix Technik). Märklin startete mit der 700er Serie im Herbst 1935 und war damit der 4. Hersteller von 00/H0-Bahnen auf dem Markt. Bing war allerdings schon wieder verschwunden und bei Bub stellte sich der richtige Erfolg nicht ein, zumal man dort mittlerweile wieder auf unzeitgemäße Uhrwerkmaschinen setzte. Die Großen der letzten Jahre vor dem Krieg waren Trix / TTR und Märklin.
Die 700er Modelle von Märklin hatten entweder einen Handumschalter oder einen Fernumschalter mittels Selenzellen, die leider sehr störanfällig waren. Also waren erst die Loks der 800er Serie mit einem "richtig guten" Fernumschalter ausgestattet (Überspannungs-Schalter oder Perfekt-Schaltung 800).
Dieser funktioniert mittels eines Spannungsstoßes von 24V und erfolgt z.B. durch Drücken des roten Umschaltknopfes / Drücken des schwarzen Drehschalters / Drehen des roten Drehschalters über die Null-Linie hinaus (je nach Trafotyp). Der Umschaltermagnet des Allstrommotors (ein Elektromagnet) zieht die Schaltklaue an und diese dreht den Stern des Walzenumschalters 1/4 Drehung weiter. Mit jedem weiteren Spannungsstoß wird in der Folge vorwärts/steht mit brennendem Licht/rückwärts/steht mit brennendem Licht/vorwärts usw. geschaltet. Da auch der Antriebsmotor den Spannungsstoß voll abbekommt, startet die Lok unter Aufblitzen der Lichter mit einem Bocksprung bei jedem Schaltvorgang in die neue Fahrtrichtung. Gar manche Lok springt aus den Gleisen und verabschiedet sich von der Eisenbahnplatte. Der Walzenumschalter der Perfektschaltung 800 wurde von 1938 bis 1957 gebaut.

Ich bin für weitere Anregungen und Bilder zu diesem Thema besonders dankbar. Hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung der Umschalter versuche ich, noch genauere Daten zu bekommen. Leider wurde bei vielen Modellen der originale Umschalter durch neuere Typen ersetzt.
Ein hervorragender Artikel über Märklin Umschalter hauptsächlich für größere Spuren wurde in der Spielzeug Antik Revue Nr.1 / 2001, Alba Verlag veröffentlicht.

1938 - 1957:

oben: Der erste Walzenumschalter mit großer Bakelitwalze. Zu finden in alten T800 oder SK800 und dergleichen. Durch Drehen des Hakens an der schwarzen Schlitzschraube in verschiedene Positionen kann der Umschalter justiert werden. Man kann die Feder mehr oder weniger vorspannen. Die Aluschraube mit Mutter gehört eigentlich nicht dazu und war eine Fotografierhilfe. Sie hält den Umschalter zusammen. An dieser Bohrung wird er im Lok-Gehäuse festgeschraubt. Deutlich erkennt man die beiden Kontaktlaschen an der Pertinaxplatte. Sie greifen die Spannung für die Motorwicklung der jeweiligen Fahrtrichtung an der Messingeinlage in der Umschalterwalze ab. Die Walze selbst ist ebenfalls auf der Walzenachse justierbar. Ein kleines technisches Meisterwerk!
Was man damals noch nicht wusste: Zum Stehen mit brennendem Licht wird man im nächsten Jahrtausend die sündhaft teure Digitaltechnik brauchen.

oben: Die Loks wurden nach dem Krieg maßstäblicher, die Gehäuse kleiner und der Platz für den Umschalter schrumpfte. Die beiden Abbildungen zeigen den Nachfolger (z.B. frühe F800) mit der etwas kleineren Bakelitwalze. Sonst war Alles beim Alten geblieben. Auch der Bocksprung.

oben: Aus der Bakelitwalze wurde die Stahlwalze. Anstelle der teuren Messingleitbahn in der Walze gab es jetzt Pappscheibchen, welche die nach innen gebogenen Kontaktfahnen vom Metall der Walze abheben. Die Justierung der Walze entfiel. Die Vorspannung der Schaltfeder wurde jetzt durch Einhängen in 2 verschiedene Haken eingestellt. Der Stern an der Walze blieb und es wurde mehr Kunststoff am Spulenträger verarbeitet. Alles ein wenig billiger in der Herstellung. Dies ist der typische Umschalter der mittleren bis späten 50er Jahre. Die Schaltfolge blieb. Der Bocksprung auch.

oben: Der 790er Umschalter wurde kurz nach dem Krieg nur in die T790 und RS790 eingebaut. Er ist ein reiner Handumschalter und wirkt zweipolig. Daher konnte eine Wicklung am Stator des Motors entfallen. Eine reine Sparlösung für den preiswerten Einstieg der jungen Miniaturbahner. Er ragt oben aus dem Dach (RS790) bzw. am Kessel (T790) aus dem Gehäuse heraus und wird nach vorne bzw. hinten gelegt. In Mittelstellung steht die Lok mit brennendem Licht.

ab 1958:

oben: Gegen Ende der 50er Jahre gab es den Umschalter mit Unterbrecherkontakt. Zu finden u.a. in der RES800. Schaltet nur noch vorwärts/rückwärts. Während des Schaltvorganges wird der Strom zum Motor unterbrochen und der Spannungsstoß trifft den Motor nicht. Kein Bocksprung mehr. Das Gehüpfe hat ein Ende! Das Aufblitzen der Lichter bleibt. Sein direkter Nachfolger war der mit der Schaltwippe. Aber zunächst noch Sonderlösungen, die nicht auf die Schaltwalze verzichten konnten.

ab 1958 - Telex:

oben: Umschalter für Telexkupplung. Die dritte Kontaktfahne machts möglich. Der Unterbrecherkontakt an der Oberseite verhinderte auch hier wirksam den Bocksprung, indem der Strom zum Motor während des Schaltvorganges unterbrochen wurde.
Die ersten Telex-Umschalter befanden sich noch in den Tendern der Schlepptenderloks. Später wurden sie auch direkt in Lokgehäuse eingebaut, um kleine Tenderloks als Rangierloks verwenden zu können.
Die erste Lok mit Fernentkupplung in Spurweite 00/H0 war übrigens 1937 die Trix Express 20/59 Schnellzuglok mit Superautomatik im Tender. Auch hier wurde mittels Fahrregler ferngesteuert entkuppelt. Erst 20 Jahre später zog Märklin nach.

ab 1965 - Lichtwechsel bei Triebwagen:

oben: Zur Ergänzung noch einer von vielen Sondertypen. Dieser steckt z.B. im TEE Triebwagen 3071 und sorgt für den Lichtwechsel. Die vielen Kontaktfahnen müssen exakt eingestellt sein, dann funktioniert alles sehr zuverlässig. Der Stern am Umschalter war inzwischen auch aus Kunststoff. Mit Unterbrecher an der Oberseite "bocksprungsicher". Der Schaltvorgang bei abgenommenem Gehäuse ist interessant zu beobacten.

oben: Der Standardschalter ab den 60er Jahren. Er wurde überall dort eingebaut, wo man keine Sonderfunktionen wie Telex oder Lichtwechsel benötigte. Die Schaltwippe hat die Walze ersetzt. Der Unterbrecher ist in der Schaltwippe "versteckt". Schaltet vorwärts/rückwärts. Kein Bocksprung, aber immer noch Aufblitzen der Lichter. Das verhinderte erst die spätere Vorschaltelektronik zu diesem Umschalter ab etwa 1980 und die elektronische Umschaltung der dann folgenden 3300 Serie. Aber das ist eine andere Geschichte...