Mit zufriedenem Blick und voller Vorfreude zieht der Sammler und Fahrer einer Uhrwerklokomotive das Federwerk derselben auf. Klickklickklick-klickklick-klickklick. Plötzlich: Knack !?!?!?!?

Der Schlüssel dreht ab jetzt lose durch und das Klickern des Federspannmechanismus hört sich etwas anders an. Die Feder baut keine Spannung mehr auf. Sie ist wahrscheinlich gerissen.

Und was nun???? Achselzuckend sieht sich unser Freund das Malheur an. Hat er zwar schon viele Elektromotoren repariert, aber ein Uhrwerk??? Keine Ahnung, wie das gehen soll. Verzweifelt kreisen die Gedanken. Soll er in die Stadt zum Uhrmacher gehen? Hat der je eine Uhrwerklok gesehen? Die verkaufen doch bloß noch Quarzuhren. Wenn es tickt, denken die doch, es wäre was kaputt.

Ein befreundeter Sammler weis Rat. Zwar hat die Spur 00 Fraktion selten Uhrwerke in Gebrauch, aber der hat mal einen Artikel über die Reparatur eines Werkes gelesen. Er findet diesen auch wieder und sendet eine Kopie. Die Rettung! Der Beitrag handelt zwar von einem Blechauto, aber das ist dem Uhrwerk egal, was es vorwärtsbewegt. Die müssen alle ähnlich sein.
Zunächst bleibt die alte Bing Spur 00 Lok noch auf Warteposition, dann aber kommt der Tag der Reparatur, die im nun Folgenden beschrieben werden soll.

Zur Reparatur muss das Gehäuse geöffnet werden. Fast alle Uhrwerkspielzeuge sind nicht für Wartungen oder Reparaturen vorgesehen. Daher gibt es keine Schrauben, sondern nur Blechlaschen, die vorsichtig aufgebogen werden. Nicht überbiegen, sonst brechen sie beim späteren Zubiegen ab. Als Werkzeuge (oben) empfehlen sich flache Zangen mit glatten Backen, damit es keine Spuren im Blech gibt. Ich benutze eine breite Zange zum Glattbiegen von Wellen im Blech, eine kräftig Spitzzange mit Profil für grobe Arbeiten, wo man ordentlich zupacken muss und einen glatten „Storchenschnabel" für schwer zugängliche Stellen. Ein kleiner Schraubenzieher mit kräftigem Griff zum Öffnen der Laschen liegt bereit.
Zunächst wird der Start / Stop Hebel ausgebaut (er liegt rechts oben neben dem „Storchenschnabel". Dann biegt man alle Laschen auf und zieht das Gehäuse ab. Der Blick auf das Uhrwerk ist frei.

Rechts: Sehr schön erkennt man alle Zahnräder des Antriebes. Die Uhrwerkfeder ist auf der Walze aufgerollt und sitzt neben dem großen Hauptzahnrad. Sie ist an beiden Enden befestigt. An der Walze wird sie durch einen Metallbügel gehalten und am Gehäuse ist sie durch 2 Schlitze gezogen. Das Hauptzahnrad treibt über eine Übersetzung den Fliehkraftregler an.

Links: Die Uhrwerkfeder neben dem Hauptzahnrad von der, dem Schlüssel abgewandten, Seite. Die Schlitze im Hauptzahnrad sind zur Arretierung des Aufzugmechanismus. Damit wird ein Rückdrehen des Uhrwerkes während des Spannvorganges verhindert. Das Einrasten einer Nase erzeugt das Klicken während des Aufziehvorganges. Die Schlitze für die Gehäuselaschen sind ebenso gut zu erkennen.

Links:
Das Federwerk von der Schlüsselseite. Der lange Dorn zur Aufnahme des Schlüssels ist gut zu erkennen. Im oberen Teil der Feder sieht man die überstehende Lasche von der Befestigung der Feder am Uhrwerkgehäuse. Dies ist nicht die Bruchstelle der Feder. Die kann man erst direkt auf der Walze erkennen, wenn die Feder komplett abgerollt ist.

Im Bild darunter:
Von unten erkennt man im hinteren Teil der Lok zwischen den Trittstufen die Scheibe des Bremsmechanismus, der vom Start / Stopp Hebel ausgelöst wird. Neben der Scheibe ist der Regulator. Er sorgt für einen annähernd gleichmäßigen Lauf der Lok.

Die Feder wird komplett von der Walze abgerollt und auch aus der Befestigung am Gehäuse gelöst. Dann entfernt man das abgebrochene Anfangsstück der Feder von der Walze. Das Ende der Feder an der Bruchstelle wird mit einer Gasflamme ausgeglüht. Somit wird der Stahl weich und biegsam. Das weiche Ende wird nun in der ganz unten gezeigten Weise an der Lasche der Walze eingehängt und das Uhrwerk ganz aufgezogen. Es kann hilfreich sein, lose Enden der Feder während des Einbauvorganges kurz im Schraubstock festzuklemmen, damit sie nicht herumspringen. Verletzungsgefahr! Ist die Feder ganz gespannt, wird sie mittels der Bremse festgestellt. Nun hängt man das Gehäuseende der Feder wieder ein.
Bei manchen Uhrwerken und je nach Platzverhältnissen im Bereich der Walze kann es sinnvoll sein, die Feder zunächst an beiden Enden zu befestigen und sie erst dann mittels Schlüssel auf die Walze aufzuziehen. Davor die Feder aber unverdreht ausrichten. Auch hier hilft eine dritte Hand oder der Schraubstock beim Halten der widerspenstigen Uhrwerkfeder aus. Man muss ausprobieren, was besser geht.
Abgesehen von der Widerspenstigkeit solcher Uhrwerkfedern und der Verletzungsgefahr durch scharfe Kanten ist das Alles keine Hexerei für einen erfahrenen Bastler. Nach der Reparatur läuft die Lok wieder wie neu. Das fehlende kurze Stück in der Länge der Feder ist unbedeutend. Nur selten wird man eine ganz neue Feder einsetzen müssen.

Die 3 Bilder oben: Links die (an der Walze) schon herausgezogene Feder von der Schlüsselseite her gesehen. Mitte von der anderen Seite. Man erkennt, wie das eine Ende am Gehäuse durchgesteckt und umgebogen ist. Und zwar von innen nach außen und wieder nach innen. Ganz rechts die Totalansicht mit herausgezogener Feder. Diese Bilder entstanden vor der Reparatur. Am anderen Federende in der Spiralenmitte ist die glatte Bruchstelle zu sehen. Die meisten Federwerke brechen in der Nähe der Befestigung an der Walze, also genau hier an der Stelle der größten Materialbelastung.

Unten links: Befestigung der Feder an der Gehäusefront und an der Walze, welche beim Aufziehen mittels Schlüssel im Uhrzeigersinn gedreht wird. Unten rechts im Detail nochmals die Walze. Das Federende hier wird durch eine Metallschlaufe geführt und umgebogen. Beim Aufziehen zieht sich das Ganze fest um die Walze herum. An dieser Stelle muss das neue Federende vor Befestigung ausgeglüht werden, damit es biegsamer wird.