Der Schrecken des Sammlers:

Zinkpest, Gusspest, Zinkfraß, Zinkblüte, Rost und sonstiges Übel...

Zinkpest gibt es eigentlich gar nicht. Höchstens eine Zinnpest (siehe unten). Gemeint ist wohl eigentlich der Zinkfraß. Manche verwenden auch die Bezeichnung der Gusspest.
Die schlechte Nachricht: Man kann nichts dagegen tun. Sie ist nicht aufzuhalten oder rückgängig zu machen. Ob der Zerfallprozess (wie bei der Zinnpest) temperaturabhängig ist, wird gerne diskutiert. Auf alle Fälle sind Temperatur
schwankungen immer problematisch für ein schon unter Spannung stehendes Bauteil. Sicher spielt Feuchtigkeit eine Rolle. Durch eine Lampe in der Vitrine, Ausleuchten mit kleinen Strahlern oder durch stark schwankende Raumtemperaturen kann der Modell - Zerfall beschleunigt werden, da die wärmebedingte Material - Ausdehnung das sowieso schon morsche Metallgefüge zerspringen lässt. Unter bestimmten Voraussetzungen geht der Zerfall auch kaum sichtbar vonstatten, jedoch kann das Modell bei Berührung in sich zusammenfallen.
Fazit: Alle Versuche, die von der "Zinkpest" angegriffenen Modelle durch Einölen, Tauchlackieren oder sonstige Versiegelungen zu erhalten, sind zwecklos, denn:
Die "Zinkpest" ist eine Reaktion, die von innen heraus wirkt und von außen nicht aufzuhalten ist. Da es sich hier trotz des Namens nicht um eine biologische Erkrankung handelt, ist sie für uns nicht ansteckend.
Die gute Nachricht: Alles bezeichnet den gleichen Vorgang und es trifft kaum
Märklin - Modelle nach 1950. Allerdings beschreibt Tony Matthewmann im Buch "The history of Trix H0/00 model railways in Britain" (Seite 418) das Jahr 1953 als den Zeitpunkt der letzten Verwendung von problematischen Gusslegierungen bei Trix. Nach letzten Meldungen gibt es wohl auch  Arnold Spur N Wagen vor 1965 (Bild rechts) und die Lok T3 mit Zinkpest (siehe: Spielzeug Revue, Ausgabe 6/2000, Alba Verlag, S. 47) und die Radblenden von sehr alten Piko Wagen aus den Anfängen der Marke sind manchmal betroffen. Ebenso bei Roco: die Gehäuse von V200, der Rahmen der „Bügelfalte" und sogar bis um 1980 der Gussblock des Tenderantriebes einiger Dampfloks. Dann ist das Getriebe blockiert. Bei Roco bezeichnet man das als Zinkalverwerfung. Die Gusspest ist also nie ganz ausgestorben. Während man das früher noch mit Materialknappheit entschuldigen konnte, müsste das heute eigentlich nicht mehr passieren.
Früher hatte man nämlich mit den Materialproblemen und der
Materialknappheit durch den Krieg und der Unwissenheit in der Verarbeitung von Legierungen zu kämpfen.
Grund allen Übels war die Verarbeitung von unreinen Zink / Blei - Legierungen in dieser Zeit. Durch elektrische Potentiale im Materialgefüge und damit verbundene lokale Spannungsunterschiede in der Legierung kommt es zu Oxidation und
Rekristallisation im Material. Der Guss "wächst" und dehnt sich aus. Dies führt zu Rissbildung und Wellen im Guss. Der Zerfall ist vorprogrammiert und nur noch eine Frage der Zeit. Schnelle Temperaturwechsel sorgen für zusätzliche Spannung im Material (Versand / Transport im Winter). Also: Achtung bei Haarrissen in alten Modellen, sonst kauft man lediglich einen Ersatzteilspender. Manche Modelle zerfallen auch erst bei der Demontage. Achtung bei Trix Express Wechselstromloks (besonders: Motorschild mit Bürstenhalter), Fahrwerk von BR 01 Pazifik, TTR Scotsman, Coronation und Nord (vorkrieg) und auch die ersten Serien der Märklin SLR, ST800 (Versionen mit runder Kardanwelle), T800 und TP800, erste Serien der HR800N. Auch die frühen, grünen SK800, und zwar Lok und Tender. Bei späten SK800 ist der Tender unproblematisch. Manchmal betrifft es nur den Rahmen, das Gehäuse, den Motor oder die Räder. Es kommt ganz darauf an, aus welchem Fertigungslos die einzelnen Teile stammen. Bei den frühen CCS800 sind die Versionen 1 bis 4 betroffen. Besonders die beiden Fahrwerksträger sind problematisch, da wegen der besonders steilen Form der Antriebsverzahnung der Antrieb blockieren kann und dann brüchige Fahrwerke auseinander gerissen werden können.
Besonders ärgerlich ist es, wenn ein befallenes Fahrwerk ein intaktes Gehäuse sprengt, denn die pestbefallenen Teile "wachsen" und dehnen sich aus, schon bevor man die Rissbildung erkennen kann. Zum Beispiel drücken die
T800 Rahmen die intakten Gehäuse auseinander, so dass diese an der Gehäuserückseite ausreißen. Einer meiner Rahmen war von 11,86 auf 12,08 cm „gewachsen" (gemessen ohne Puffer). Auch eine befallene Zylindergruppe der T800 kann einen gesunden Rahmen verbiegen oder nach innen verdrehen (ein Zylinderblock war von 3,97 auf 4,3 cm „gewachsen" ). Zurückbiegen endet in 99% der Fälle mit Rahmenbruch, da der Guss meist sehr spröde ist. Also lieber keine Biegeaktionen. Auch wenn es schwer fällt. Ich wollte auch schon "nur so ein klein wenig zurechtbiegen" und hatte sofort einen Rahmenbruch. Den ohnehin sehr zerbrechlichen Rahmen der T800 kann man seitlich innen an der Bohrung für das Gestänge schienen, indem man Stücke von Laubsägeblättern mit geeignetem Kleber aufklebt und zusätzlich mit Harz aus der Zahntechnik ausgießt. Die richtige Länge beachten, ausprobieren!  Dann erst Lackieren. Oft zeigen auch die gegossenen Räder früher Blechwagen (Stummelachsen) Zerfallserscheinungen und der Rest des Wagens ist völlig unversehrt. Blech und Stahl sind im schlimmsten Fall nur von gewöhnlichem Rost (Bildung von Eisenoxyd) angegriffen.
Später wurde das Problem Gusspest durch die Zulegierung von kleinen Mengen
Kupfer, Alu oder Magnesium beseitigt. Magnesium war kriegsbedingt lange als Bestandteil verboten und ab 1948 wieder freigegeben. Da nach dem Krieg noch alte Lagerbestände von Modellen verbaut wurden, kann sich somit ein krankes Fahrwerk in einem gesunden Gehäuse verstecken. Bitte genau hinsehen und eventuell aufschrauben. Von 1947 bis 1955 wurden für Gusswagen und die Tender von SK800, G800, F800 neue Aluminium - Gusslegierungen verwendet. Damit hatte man das nächste Problem: die Zinkblüte. Erkennbar an weißen Ausblühungen, die wie feinster Staub an Ritzen und Ecken auftreten (auch an Innenseiten der Modelle - nachsehen !). Das ist sowas ähnliches wie Rost (der bei Eisen rotbraun entsteht) und somit "heilbar". Genaugenommen handelt es sich um Aluminiumoxyd / -hydroxyd oder Magnesiumoxyd / -hydroxyd oder um ein Gemisch davon. Durch Schmirgeln und Kratzen (Holzstab) leicht zu entfernen. Lackieren oder einölen mit hochwertigem Waffenöl oder dem bekannten Märklin - Öl hilft dauerhaft durch Luftabschluss. Dieses Öl verharzt nicht und ist säurefrei. Ein Extrembeispiel ist der Märklin Wagen 311 weiter unten.

Ein wissenschaftlicher Exkurs:
Grund für die Gusspest waren Verunreinigungen von u.a. Blei, Zinn und Cadmium in der Zinkguss - Legierung.
Die entscheidend verbesserten Legierungen waren im Falle von Trix das
Mazak 3 (England) bzw Zamak 3 (USA). Magnesium vermindert die interkristalline Korrosion aber ein zu hoher Anteil verschlechtert die mechanischen Eigenschaften. Kupfer erhöht die Härte, Alu verbessert die Körnung der Legierung. Insgesamt hat man ein sehr empfindliches Gebilde einer Legierung, bei der die richtige prozentuale Verteilung der Bestandteile absolut entscheidend ist. Die exakte Dosierung fiel  früher sehr schwer. Analysiert man die Bestandteile von befallenen Loks, so stellt man generell einen unzulässig hohen Anteil an Kupfer und vor allem Blei fest. Die Legierung konnte von Anfang an nicht gleichmäßig auskristallisieren und war zum Zerfall verurteilt. Es gab Trix Lokomotiven, die schon wenige Monate nach der Produktion zerfielen. Andere wiederum zeigen erst jetzt die ersten Erscheinungen, besonders wenn sie lange in der kalten Garage oder im feuchten Keller lagen.
Was kann man tun?
Natürlich, wie bereits oben geschrieben, die Loks gründlich untersuchen, bevor man kauft. Auf alle Fälle zerlegen und auch das Motorschild begutachten. Ganz feine Risse können noch vom Lack verdeckt sein. Dann die gefährdeten Teile trocken und bei gleichmäßiger Raumtemperatur lagern. Bei längerer Lagerung über Jahre kann es empfehlenswert sein, die Lok in Fahrgestell, Rahmen und Gehäuse zu zerlegen. Sollte ein Teil zerfallen, wird zumindest die Zerstörung der anderen, gesunden Teile durch Volumenzunahme verhindert. Alle Bauteile, die  fest verbunden sind, können regelrecht auseinander gedrückt werden. Beim Kauf meiner HS800 musste ich etwa 10 gutaussehende Loks zerlegen, bevor ich eine pestfreie Maschine gekauft habe.
Generell sollte man Loks und Wagen frei stehend im Dunkeln und trocken bei Raumtemperatur von 15 bis 25°C aufbewahren. Pappkartons sind eine gute Lösung. Keine Plastikverpackung und Plastikfolien verwenden. Die austretenden Weichmacher können den Lack angreifen. Dies gilt ganz besonders für neue oder frisch restaurierte oder lackierte Modelle. Gut zum Einwickeln eignet sich Seidenpapier, Wellpappe und säurefreies Papier. Helle Vitrinen sind ungeeignet, wegen der Lichteinstrahlung, die zum Ausbleichen der Lacke führt. Einzige Ausnahme sind sehr alte, firnislackierte Modelle, deren klarer Schutzlack blind wird, wenn lange Zeit KEIN Licht mehr darauf fällt. Achtung bei gefirnisten und hochglänzenden Blechwagen der Vorkriegszeit: schon kurze Lagerung auf einem warmen Dachboden im Sommer kann das Einwickelpapier mit dem Decklack verkleben!

Was kostet die Restaurierung von Gussteilen?
Man braucht vor allem die Beziehung zu Herstellern der Nachgussteile. Diese werden gewerblich oder von Privat aus Grauguss oder Zinnguss hergestellt.  Bei Zinnguss werden vom Original hitzebeständige Silikonformen abgeformt und mit Zinn - Blei Legierung ausgegossen. Die dabei entstehenden Gehäuse oder Rahmen sind etwas weicher und schwerer als das Original. Aber sehr haltbar und werden niemals unter Gusspest leiden. Sozusagen für die Ewigkeit bestimmt. Zugabe von Antimon erhöht die Härte deutlich. Für Graugussarbeiten braucht man teure Metallformen, da bei wesentlich höheren Temperaturen gearbeitet wird. Dies rentiert sich eigentlich nur bei mechanisch stark beanspruchten Bauteilen und großen Stückzahlen wie z. B. bei Rädern.
So ist ein Satz Räder für die Märklin B-Loks noch gut erschwinglich, ein Motorschild sollte ebenfalls für jede Bastlerkasse zu finanzieren sein. Gehäuse sind umso teurer, je komplizierter die Gussform dafür ist. Während Trix Sammler noch für um die 50 Euro einen Rahmen für eine B-Lok bekommen, müssen Märklin Restauratoren für vergleichbare Teile wesentlich tiefer in die Tasche greifen.
Die Silikonformen für Weichgussteile werden übrigens nach 7-10 Jahren Lagerung unbrauchbar. Vor dem Lackieren muss das Gehäuse oder der Rahmen noch entfettet (Spülmaschine oder Aceton) und originalgetreu lackiert werden. Das bedeutet, sowohl Lackfarbe als auch Glanzgrad sollen stimmen. Lackierungen kosten um 50,- bis 200,- je nach Kompliziertheit. Der Preis einer umfangreich sauber aufgebauten Lok liegt somit sicher nicht allzu weit unter dem Preis eines mäßig erhaltenen Originalteiles wenn man noch die Kosten der Beschaffung des defekten Originalstückes dazurechnet. Denn das muss ja auch erst einmal gefunden und gekauft werden...
Restaurierte Stücke sind natürlich nie so wertvoll wie Originale. Das wird man spätestens beim Verkauf merken. Ein Grund dafür, weshalb so viele Loks unrestauriert weiterverkauft werden. Aber sie sind oft besser für den Fahrbetrieb geeignet und man findet ja kaum noch unversehrte SLR800, HS700 oder HR700.

Arnold Spur N Wagen. Ein Beispiel für Gusspest an neueren Modellen. Des weiteren zerfallene Räder einer Märklin T800.

T800 Gehäuse mit Gußpest. Verzweifeltes Kleben mit Pattex war  vergebens. Das Gehäuse war in der Länge von 11,46 auf 11,73 cm gewachsen (gemessen über die Rauchkammertür zur Tenderrückwand).

Gehäuse der SLR800 mit Gusspest. Wenigstens ist die Glaskugel noch drin.

Rahmen und Fahrwerk SLR800. Rahmen und Motorschild mit Gusspest (Risse). Auch hier sind die Räder abgefallen, da das Loch in der Mitte durch Volumenzunahme der Legierung größer wurde. Damit hatte sich die Passung gelockert.

Oben: Fahrwerkreste einer Trix Express 20/52 aus den 40er Jahren.
Unten Gusspest am einem Vorläufer der HR800N. Von diesem Modell sind hauptsächlich die ersten Serien mit dunkelrotem Fahrwerk und Bürstenklappe betroffen.

Oben: Märklin Gussgüterwagen 311 mit weißer Zinkblüte zwischen den Brettern. An der Oberkante ist alles noch schlimmer. Offenbar haben sich basische Oxide/Hydroxide gebildet, die wasseranziehend (hygroskopisch) sind. Sie verflüssigen sich unter Aufnahme von Luftfeuchtigkeit und es bilden sich farblose Blasen, die man mit einem Lappen wegwischen kann. Vermutlich werden diese irgendwann eintrocknen und weiße Rückstände bilden. Ein Beispiel für extrem schlechte Legierungszusammensetzung dieses Modells. In diesem Fall sollte man das Modell als verloren ansehen. Auch Versiegeln mit Öl oder Klarlack hilft da nicht mehr.

Noch ein wenig mehr Chemie gefällig?
Wegen der vielen Nachfragen zu den Bestandteilen der Gusslegierungen für schwere Lokgehäuse, hier noch eine Zusammenstellung, die ich dem bereits zitierten Superbuch von Tony Matthewman entnommen habe:
Erlaubte Additive (= gezielt zugemischte Metalle, um gewisse Materialeigenschaften zu erreichen) in Gusslegierungen Mazak 3:
Alu 3,8 bis 4,3%
Kupfer bis zu 0,03%
Magnesium 0,03 bis 0,06%
Erlaubte Verunreinigungen (= das was man an Verunreinigungen noch tolerieren kann, um die Kosten der Herstellung im Rahmen zu halten):
Eisen max. 0,1%
Nickel max. 0,02%
Mangan max. 0,01%
Blei max. 0,005%
Cadmium max. 0,005%
Zinn max. 0,003%
In einer Analyse einer verpesteten Trix Twin Railway Scotsman Pazifik wurde dagegen gefunden:
Alu 3,7%, also an der unteren Grenze
Kupfer 0,71%, also viel zu viel
Magnesium 0,03%, korrekt
Blei 0,084%, also ebenfalls viel zu viel
verbleibender Rest (bis die 100% voll sind), fast nur noch Zink = Hauptbestandteil der Legierung

Hauptproblem ist also extremer Blei und Kupfer - Überschuss in der Zinklegierung. Viel mehr, als erlaubt. Natürlich ist diese Analyse nur ein Beispiel und ich weis nicht, wie viele weitere Analysen noch gemacht wurden. Die Untersuchungen wurden jedoch von einer englischen Uni durchgeführt und ich denke, es gibt weitere Daten, die Reproduzierbarkeit gewährleisten.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Die leichteren Legierungen der Tender und Wagen sind aus Aluminiumguss und es handelt sich hier um ein ganz anderes Material. Dort kennt man keine Gusspest, sondern nur die Oxidation („Rosten") zu weißen Ausblühungen ähnlich dem gewöhnlichem Rost an Eisenmetallen (wie oben beschrieben). Damals hatten die Loks noch keine Haftreifen und mussten somit möglichst schwer sein, um genügend Haftreibung zu erzielen. Die Tender und Wagen dagegen fertigte man aus leichtem Material wie Aluguss und Blech.
Zinnpest: Manche Leute halten die Zinnpest für die eigentliche Ursache der Zinkpest / Gusspest. Dem stimme ich nicht zu, aber Streit unter Gelehrten ist ja nichts Neues. Bei der Zinnpest wandelt sich reines metallisches beta-Zinn unterhalb von 13,2°C in nichtmetallisches alpha-Zinn um. Dabei wird Energie frei und die Dichte fällt, d.h. das Volumen wächst. Das Maximum der Umwandlungsgeschwindigkeit liegt bei -40°C. In wie weit Reste von metallischem Zinn und die damit verbundene Zinnpest noch zusätzlich zur Zinkpest beitragen, weis ich nicht. Aber wenn der Gehalt an reinem Zinn weit unter 1% liegt, dann kann das Volumen einer Zinklegierung alleine durch Zinnpest nicht so stark zunehmen. Außerdem ist mir Zinnpest bisher nur bei reinem Zinn bekannt und nicht bei Legierungen, wo es nur Nebenbestandteil oder in Spuren vorhanden ist. Und schon Zinngeschirr ist enorm haltbar und ohne Pest - Erscheinungen.