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Die 700er Serie -
Märklins Start in die neue Baugröße Spur 00

Märklin hatte zu Beginn der 30er Jahre die Spur S und Spur 00 parallel entwickelt. Schließlich entschied man sich zugunsten der Spur 00 mit 16,5mm Spurweite und stellte die Entwicklungen der Spur S komplett ein. Die Handmuster dieser heute ungewöhnlichen Größe sind zum großen Teil noch heute bei Märklin im Archiv und wurden in einem sehr interessanten Artikel anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Märklin Spur 00 in den Märklin Magazinen 3 bis 5/1985 von Christian Väterlein beschrieben. Warum man sich für diese Spurweite 00 entschied, obwohl die Handmuster der Märklinschen Spur S einen ungewöhnlich hohen Grad an Detailtreue zeigten, ist nicht überliefert. Möglicherweise war der Unterschied zur Spur 0 nicht groß genug und die revolutionäre Entwicklung von Trix Express in der Baugröße 00 hatte Märklin unter Zugzwang gebracht. Immerhin waren die beiden Hersteller von 1935 an harte Wettbewerber.
Märklin präsentierte seine neuen Renner ein halbes Jahr nach Trix zur Herbstmesse in Leipzig 1935. Man hatte das Gleis der elektrischen Bing Tischeisenbahn nachempfunden und verbessert. Im Startprogramm waren die Blechloks R700 und die RS700 mit Gußrahmen und eine kleine Auswahl an 2-achsigen Güterwagen, 2-achsigen Personenwagen und kurzen 4-achsigen Personenwagen (fast alle Wagen komplett aus Blech). Dazu gab es aus Blech Bahnhöfe, Güterschuppen und weiteres Zubehör. Die Startprogramme von Trix und Märklin sind sich sehr ähnlich und zielen klar auf Kinder als "Lokführer". Es war eine Systembahn mit Weichen und Signalen und gestattete richtig anspruchsvollen Spielbetrieb. Beide Loks waren beleuchtet und Glaskugeln fungierten als frühe Lichtleiter - eine sehr elegante Lösung.

Die Loks waren zwar sehr schön, leider aber ist die 700er Technik sehr anfällig. Abgesehen vom neuen Problem der Gußpest (manche Loks zerfielen sehr schnell), waren die Fertigungstoleranzen der Motoren und Fahrwerke sehr groß. Im Fahrbetrieb klemmen die Motoren häufig, da der Luftspalt zwischen Anker (Rotor) und Feldmagnet (Stator) zu klein ist. Geringes Verrutschen der Bürstenbrücke führt zum Klemmen. Die Räder der verschiedenen Fertigungslose sind unterschiedlich im Durchmesser. Ersetzt der Restaurator nur Eines pro Achse, kann die Lok "kippeln". Daher empfiehlt sich oft der gleichzeitige Austausch beider Räder einer Achse.
Heute findet man kaum noch komplett originale fahrbereite 700er Maschinen. Oft sitzt die Gußpest im Motorschild oder Fahrwerk und der Rahmen beider Loks ist so dünn, daß schon geringe Materialalterung zum Rahmenbruch führen kann. Blasen im Lack des Rahmens sind oft erste Anzeichen der Gußpest und besonders die an den Motorbürsten noch nicht verstärkten Rahmen der ersten R700 Varianten sich bruchgefährdet. Bei der RS700 brechen oft die Trittstufen am Rahmen ab oder die Vorbauten zerfallen. Generell sind die Räder beider B-Loks häufig verpestet.

Die Fahrtrichtung der 700er wird mit Handumschalter oder mit Fernumschalter (RU700 bzw. RSU700) geschaltet. Die Fernumschaltung funktioniert mittels Selenzellen, die wie eine Diode wirken und jeweils die eine oder andere Wicklung des Feldmagneten einschalten. Die Selenzellen sind sehr anfällig gegen falsche Behandlung oder Überlastung. Da noch vor dem Krieg die 800er Perfektschaltung herauskam, findet man heute diese Fernumschalter relativ selten. Das System hatte sich schnell überholt und viele Modellbahner sind bald auf die Perfektschaltung umgestiegen. Leider wurden die 700er dann oft in die zweite Garnitur verbannt oder gar wegeworfen. Man wollte alle Loks mit dem gleichen Trafo steuern und schalten. Die 700er Maschinen sind heute sehr selten und teuer. Es gab die:
R700: 2-achsige Dampflok mit Schlepptender
RS700: 2-achsige Elektrolok nach schweizer Vorbild
SLR700: Stromlinien-Dampflok mit Schlepptender nach Vorbild der Commodore Vanderbuilt
TWE700 in creme-rot, blau und mit Stromabnehmer auch in rot: Einzel-Triebwagen
HR700: modellmäßige Pazifik Dampflok mit Schlepptender
HS700: modellmäßige Baureihe E18 mit nur 3 Antriebsachsen, damit das Fahrwerk der Pazifik passte

Gegen Ende der 700er Ära wurden diese Maschinen parallel zu den 800ern angeboten. Die R800, SLR800, HR800 und HS800 sind äußerlich nur leicht modifizierte Nachfolger der Vorgänger-Serie.

Rechts: RU700 mit Selengleichrichter. Die Maschine ist völlig original. Offene Achslager am Tender und nicht verstärkter Rahmen im Bereich der Motorbürsten. Also Version von 1936. Die Kupplung am Tender ist um 1950 eingebaut worden. Eigentlich sollte hier eine schwarze Klauenkupplung mit Verstärkung im Bereich der Niete sein.
Unten: Der sehr seltene Originalkarton dazu. Er enthält ein mit Holzwolle gefülltes Polster für den Kartonboden. Das ist der braune Packen zwischen Deckel und Bodenteil des Kartons.

Links: Draufsicht auf das Fahrgestell mit dem Selengleichrichter. Die Bürstenbrücke hat die Gusspest und ist daher „gewachsen". Dies hat das Fahrwerk in eine Rechtskurve gebogen. Man kann es erkennen, wenn man sich an der Stellung der Radachsen orientiert. Hier müssen sowohl Fahrwerk, als auch Bürstenbrücke ausgetauscht werden.

Der TWE700 war der erst Triebwagen von Märklin. Hier die creme-rote Version. Es gab noch eine blaue und eine rote Lackierung. Letztere mit Stromabnehmer.
Links der TWE von der Bürstenseite her gesehen.

Die andere Seite zeigt die besonders schönen Proportionen des Modells. Es wurde stets ohne Beiwagen produziert, aber gelegentlich findet man Umbauten, an denen ein motorloses Wagenteil hängt. Das vordere Drehgestell ist der ganz normale 700er Motor. Hinten ist ein Drehgestell der 340er Personenwagen eingebaut.
Unten die seltene Bodenansicht, die in keinem Koll zu finden ist. Die Drehgestelle sind deutlich erkennbar. Baukastenprinzip: Man nehme ein 700er Fahrwerk plus ein Personenwagen-Drehgestell und setzte das Ganze in ein neues Gehäuse - fertig ist der TWE.

Links das Antriebsgestell mit den beiden Lampen zur Innenbeleuchtung. Der silberne Bügel wird mit dem Dach verschraubt und hält das Gestell in Position. Unter dem Bügel ein Plättchen aus Pappe eigener Herstellung und mit besonderer Bedeutung: Der 700er Motor ist mit zu engen Toleranzen konstruiert. Der Rotor dreht sich mit knappem Luftspalt im Stator (Feldmagnet). Sind die Lagertoleranzen der Haltenasen des Feldmagneten zu groß, so wird er bei anliegender Spannung in den Rotor hineingezogen und klemmt. Ohne angelegte Spannung dreht er sich ganz leicht. Daher ist die Ursache des Problems nur bei genauester Beobachtung zu finden. Die Pappe hält den Feldmagnet unten und damit in fixierter Position. Natürlich fällt das nur den wirklichen Fahrern dieser schönen Oldies auf. Aber von denen haben wir ja einige in unserer Truppe.
Der TWE700 hat, wie alle 700er Modelle, eine große Fertigungsstreuung in der Motorentechnik. Daher läuft jedes Exemplar ein wenig anders. Manche Fahrer behaupten, die 700er Technik sei eine Fehlkonstruktion der ersten Jahre. Bei allen Wagen muss man die Geschwindigkeit ständig nachregulieren. Besonders, wenn man auf großen Anlagen mit Vorkriegsgleis und dem unumgänglichen Spannungsabfall fährt.

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