Also...

... wie soll man hier denn einen Anfang finden? Über Märklin gibt es soviel zu schreiben, dass man überhaupt nicht weis, wo man anfangen soll. Die geschichtliche Entwicklung möchte ich mir und Ihnen, lieber Leser, ersparen. Die wurde in unzähligen Bücher lang und breit voneinander abgeschrieben. Jeder weis, dass die Familie Märklin eigentlich im Blechnereigewerbe begann und was heute daraus wurde: Der größte Modellbahnhersteller aller Zeiten mit dem besten Marketing und Modellen in allen wirtschaftlich interessanten Spurweiten. Märklin Kunden kaufen auch heute noch die Vorstellung, die sie von „ihrer" Marke haben mit einer solchen Begeisterung, dass man Märklin als eine Philosophie bezeichnen kann. Das ist so wie mit Rolex, BMW, Ferrari und allen Marken, die zum unsterblichen Begriff wurden. Bitte erspare man mir jetzt die end- und fruchtlose Diskussion, ob Märklin besser oder schlechter ist, als Andere. Jedenfalls wird es am meisten gekauft.
Man sollte besser mit einigen falschen Vorstellungen aufräumen:
Märklin war nicht der erste Modellbahnhersteller. Das waren Kleinserienhersteller um etwa 1850, also laaaange vor den Göppingern.
Es gab nie ein „Storchenbein" von Märklin. Diese war den Herstellern Schoenner, Bing, Carette  u.a. vorbehalten. Per Definition ist das eine Echtdampf - Lok mit großem Antriebsrad hinten und kleinem Mitläufer vorne in der Achsfolge 1A (Literatur: Gustav Reder, Mit Uhrwerk, Dampf und Strom, Alba Verlag, 2. Auflage 1988, S. 30-32). Das, was gemeinhin als solches bei Märklin präsentiert wird, ist eine Uhrwerk - Lok mit großem Antriebsrad vorne (Achsfolge A1). Also kein Storchenbein! Da „Storchenbein" aber ein so schön einprägsamer Name ist, schmückt man sich in Göppingen gerne damit. Sie waren aber immer rein Nürnberger Modelle. Irgendwann wird wohl jemand behaupten, Märklin habe die Länderbahn erfunden.

Gebaut von den 50er Jahren bis in die 70er. Viele Gussmonster hatten ein langes Leben und kamen zum Schluss als Bausatz.

Märklin war früher auch nicht DER Marktführer. Da waren die Nürnberg Firmen Bing u.a. mit besserem Umsatz teilweise vorne.
Märklin hat auch nicht die erste 00/H0 -Eisenbahn erfunden. Das war Bing, und zwar 13 Jahre vorher, November 1922. Übrigens kurz nach dem Erscheinen auch mit Wechselstrom - Motoren, die in Wirklichkeit doch Allstromer sind. Bing stellte die Produktion 1931/32 ein, verkaufte an Bub, welcher die Tischbahn bis 1937 weiterführte (siehe dazu den Abschnitt Bing Tischbahn). Kurze Zeit nach Bing kam Mignon in Frankreich auf den Markt. Man verkaufte Uhrwerkloks und elektrisch betriebene Züge. Trix Express startete im Frühjahr 1935 mit dem Zweizug - System auf Bakelitschienen. Die Göppinger kamen erst 6 Monate später zur Herbstmesse mit ihrem neuen 00 - System, und waren damit unter den bekannten Herstellern der 16,5mm Spur bestenfalls unter den Top 10. Man verzeihe mir, daß ich alle weniger bekannten Marken hier weglasse, sonst hätten wir gleich ein ganzes Buch. Technisch lieferten sich die beiden Letzteren ein hartes Rennen bis zum Krieg. Die Produktionsanlagen von Trix wurden leider zerstört. Märklin hatte Glück, nutzte das gut und startete in den 50ern zum Siegeszug und in die Marktführerschaft der 00 - Bahn, die man in den 50er Jahren in H0 - Bahn umbenannte. Im Übrigen hat Märklin erst im zweiten Anlauf die 00-Bahn auf 16,5mm bezogen. Lange vorher gab es schon mal eine Märklin 00-Spur, die jedoch kein großer Erfolg war und mit 26mm Spurweite als Liliput Bahn bekannt wurde (1912-1929).
Märklin hat auch nicht die M - Böschungsgleise erfunden. Die hatte Bing schon vorher bei seiner Tischbahn eingeführt. Genauso wenig übrigens das Prinzip vom C-Gleis. Man schau sich mal die Bakelitschienen von Express etwas genauer an...
Auch die Telex - Kupplung kommt nicht aus Göppingen, sondern als Superautomatik von Trix und TTR schon vor dem Krieg, also fast 20 Jahre früher. Übrigens hatte die Trix E 94 Superautomatik 100 Einzelteile mehr, als die Big Boy von Märklin heute !
Zu guter Letzt noch die Entkupplungsgleise, die ebenfalls  von Trix und TTR  schon vor dem Krieg hergestellt wurden zu einer Zeit, als Märklin 00 noch auf die Klauenkupplung setzte. In Göppingen zog man erst 1939 nach und entwickelte die funktionellere Bügelkupplung, die fernentkuppelt werden konnte.

Ja, woher kommt es nun, dass man in Göppingen so erfolgreich war und ist? Märklin hat das richtige Verkaufen der Eisenbahn erfunden! Hier liegen die wirklichen Verdienste. Schon um 1900 entwickelte man konsequent die Systembahn. Die Spurweiten wurden genormt und andere Hersteller haben diese Normen übernommen. Das Zubehör wurde von Märklin entdeckt. Häuser, Brücken, Bahnhöfe......alles hat man entwickelt, damit der Kunde nicht nur sinnlos im Kreis herumfuhr. Die Idee der Eisenbahn als Ganzes stammt von Märklin und machte sie so interessant. Was man nicht selbst produzieren wollte, lies man von erprobten Zulieferern herstellen. Kibri fertigte sehr viele 00 - Blechbauten für Märklin, welche dann nur mit dem berühmten Märklin - Stempel versehen wurden. Der Käufer sollte dieses Produkte nicht mit anderen Firmen in Bezug bringen. Dann war immer die Lackierung etwas schöner, das Blech etwas besser und dicker als bei Anderen, kurz die Qualität hat viele Käufer zu Märklin gebracht.
Für mich ganz persönlich waren die 50er Jahre im Bereich der 00-Spur dann der technische Höhepunkt. Wer die Technik der schweren Triebwagen und des Krokodils kennt, weis was ich meine. Das war weit entfernt vom heutigen Digitalgedaddel. Schwere Motoren mit hoher Leistung, Kraftübertragung per Kardan auf alle Treibachsen, stark untersetzte Getriebe, massives Material und eine Zugkraft, die heutige NEM-Kupplungen einfach aus dem Schacht reißen würde. DAS war der endgültige Durchbruch im Bereich der Tischbahn. Der heute sehr hohe Liebhaberwert der technisch anspruchsvollen Maschinen zollt dieser Tatsache den gebührenden Tribut. Rechts: Der gewaltige Krokodil - Motor. Kein anderes Modell hatte eine solche Kraft in dieser Spurweite, wie die Märklin Kardanmaschinen.

50 Gusswagen an einer Lok den Berg hoch und ab mit Getöse über die meterlange Blechbrücke - das geht nur mit Märklin. Stundenlanger Anlagenbetrieb ohne technische Panne mit einem Mix von Modellen aus mehreren Jahrzehnten. Und trotzdem passt alles zusammen - so etwas kann man bei anderen Herstellern lange suchen. Wenn ich mich mal bei einer Vorführung ein wenig ausruhen möchte, schicke ich die Märklin Tanten aufs Gleis. Weil es dann eben „läuft". Da schaltet keine Lok ohne Vorwarnung die Fahrtrichtung um und donnert mir ins Abstellgleis. Um es noch mal klar zu machen: Ich bin kein Märklinist im engstirnigen Sinn, aber der problemlose Fahrbetrieb lässt einen doch immer wieder mal zu den Göppingern greifen. Auch wenn einige Trix Loks schöner sind. Denn da muss man beim Fahren höllisch aufpassen. Was aber auch seinen Reiz hat. Verzichten möchte ich auf keine der Marken.
Märklin interessiert mich bis etwa zu den Modellen um 1960 bzw. Modelle, die auf solche frühen Entwicklungen zurückgehen. Also auch noch die 3024 oder die 3015. Dann gibt es noch einige schwermetallene Ausnahmen, aber die Hochpreis - Plastiken wie der Northlander oder Amtrak - ICE lassen mich kalt. Deren Preise sind nach Ausverkauf stark angestiegen und mittlerweile wieder dort angelangt, wo sie hingehören, nämlich beim damaligen Verkaufspreis. Blauäugige Sammler, die immer noch nicht begriffen haben, dass heutige Modellbahnen keine Geldanlage mehr sind, sollten das Buch von Ingo Faustmann lesen (siehe Literatur). Vielleicht bewahrt das vor Enttäuschungen.

Die 700er Maschinen von Märklin haben eine eigene Seite erhalten. Hier klicken.

Weitere Seiten zu Märklin:

Blick in das Innenleben der meistverkauften Modell-Lok aller Zeiten (2001).

Der Märklin Fahrdienstleiter - eine besondere Persönlichkeit mit Extraseite (2002).

Reportage über die Restaurierung meiner Märklin CEB800 (Oktober 2000)

Restaurierung meiner T800 (November 2000)

Artikel über Gusspest (siehe Abschnitt „Restaurieren") (November 2000)

Bericht und Bilder zur restaurierten SLR800 und SK800 und SLR800LMS (März 2001)

Märklin Umschalter für die frühe 00/H0-Bahn (Juni 2001)

Das Märklin Schienenmaterial der Anfangszeit ( März 2003)


Viele weitere Bilder von Märklin Loks findet man auf den Seiten zu den Vorführungen.

Die Geistersammlung

Es war ein furchtbar verregneter Tag, einer jener stinklangweiligen Sonntage, an denen man keinen Fuß vor die Tür setzen kann, ohne nass zu werden. Gottseidank passiert mal was: das Telefon klingelt.
Am anderen Ende eine Frau mittleren Alters, die von unseren Vorführungen gehört hat. Sie hätte eine Sammlung zu verkaufen und ob ich mir das mal ansehen möchte. Na klar, diese Abwechslung schickt der Himmel ! Nix wie rein ins Auto und kurze Zeit später erklärt sie mir mit ernstem Blick den tragischen Hintergrund. Ihr Bruder war vor 20 Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Die Mutter war daraufhin so entsetzt, dass der Dachboden verschlossen wurde und niemand die kleine Welt Ihres Sohnes betreten durfte. Jetzt war auch die Mutter verstorben und wir standen vor der ewig verschlossenen Tür zum Dachboden, um sie zu öffnen. Die Spannung war fast unerträglich, denn niemand wusste, was hinter dieser Tür war.

Als wir in den Raum gingen, betraten wir eine Geisterwelt. Spinnweben überall, zentimeterdicker Staub auf der Anlage und in den Regalen. Unzählige, teils geöffnete Kisten und Kartons. Ein halbmontierter Plastikbahnhof. Auf dem Werktisch lagen angefangene Kabellitzen und Werkzeuge. Handzeichnungen zeugen von Anlagenplanung. Ein großer Behälter für Rauchöl, total leer. Der Inhalt war über die Jahre verdunstet. Eine wie zufällig abgelegte Lesebrille. Wäre da nicht all der Staub, würde man jeden Moment auf das Eintreten des Besitzers warten. Der blaue Blech - Märklintrafo aus den 50er Jahren stand genau unter dem Dachfenster. Als ich ihn anfasste, bekam ich blaue Hände - die Sonnenstrahlung hatte den Lack zu Pulver zersetzt. Einige Blechwagen unter dem Fenster waren auf einer Seite grau und auf der „Schattenseite" noch im unbeschädigten Originalzustand. Kunststoffwagen zerbrachen in meinen Händen, als ich sie begutachten wollte. Die Sonne hatte ganze Arbeit geleistet. Nicht nur der Erbauer, auch die Anlage war tot. Völlig unbrauchbar. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die Anlage voll bestückt dieser zerstörerischen Kraft ausgesetzt gewesen wäre. Sie war nur halbfertig und außer dem Lokschuppen und dem Blechbahnhof gab es noch keine Gebäude darauf.

Aber wo sind eigentlich die Züge und Wagen? Das hier kann`s doch nicht gewesen sein. Dahinten in der Ecke ein alter Schrank mit verschlossenen Türen. Also, Türen auf, mal sehen, welche Vorlieben er hatte. Ich trat ehrfurchtsvoll einen Schritt zurück. Klein aber fein ! Der Herr hatte Geschmack. Die Modelle waren nicht sehr alt, aber im Topzustand. Mint and boxed, würden die Engländer dazu sagen. Nachkriegszeit bis späte 60er Jahre und einige wenige um 1980. Keine Neueren Modelle. Man kann den Todeszeitpunkt des ehemaligen Besitzers an den letzten Modellen erkennen, die er gekauft hat. Bei näherem Hinsehen die fast erwartete Erkenntnis: Keines der Modelle war je gefahren worden. Natürlich nicht ! Denn die Anlage war ja noch gar nicht betriebsbereit.

Es dauerte einige Zeit, bis alles verpackt und ins Auto verladen war. Das Gesicht der Frau hellte sich für einen Moment auf, als wir uns über den Preis einigten. Sie war sicher auch darüber froh, dass die alte Last der Erinnerung in gute Hände kam und bald wieder jemandem Freude machen würde. Später würde ich wiederkommen und die Anlage aus dem Dachboden entfernen und entsorgen. Hier kann man nämlich ein schönes Zimmer einrichten.

Tja, wie verlief der Rest des nun spannend gewordenen, freien Tages? Auspacken, begutachten, freuen, testen, säubern, ölen, wieder testen, Wagen anhängen, kuppeln, rangieren, Freunde anrufen. Ich hab` hier was, das würde ich  tauschen gegen..... Es wurde sehr spät an diesem Abend. Dann zum Schluss der Gedanke zurück an den vergangenen Tag. Welche Schicksale man da hört. Ganz schön gruselig, und wieder eine Geschichte, die man Freunden erzählen kann, die dafür einen Sinn haben.